Sind Sie eine tolle Expertin/Experte, eine Koryphäe auf Ihrem Gebiet, ein herausragendes Genius oder einfach nur Superkreativgenialüberdrübertoll in dem was Sie machen? Das glaube ich Ihnen erst, wenn es online auffindbar ist! Den Grund für meine Skepsis lesen Sie in der folgenden Geschichte:
Vor kurzem wurde mir von einer Bekannten eine Expertin empfohlen, die laut Aussage eine Koryphäe in der Allergiebehandlung sei. Als Kontaktinformationen wurden mir lediglich Name und Festnetznummer übermittelt.
Als „digital native“, googelte ich sofort nach der Person, um eine Website mit Gesicht, Adresse und vielleicht sogar Referenzen zu finden. Doch Fehlanzeige!
Es passiert nicht oft, dass ich über eine Person gar keine Informationen im Netz finde. Ist ja immerhin mein Kerngeschäft, die Online Reputation meiner Kunden positiv zu steuern und somit auch über sie zu recherchieren, was bereits online über den Namen der Person veröffentlicht wurde.
In diesem Fall aber: Keine E-Mail Adresse, kein Foto, keine Mitgliedschaft in einem sozialen Netzwerk, in diesem Fall auch keinerlei Erwähnung der Expertin in einem der relevanten Fachverbände ihrer Branche oder Netzwerke. Kein digitaler Fingerabdruck vorhanden, lediglich eine Adresse über ein Telefonbuchanbieter.
KEINE WEBSITE: GIBT ES SIE WIRKLICH?
Ich gebe zu, die fehlende Online-Präsenz der angeblichen Expertin irritierte mich, trotzdem griff ich zum Telefon, um die Dame persönlich zu kontaktieren. Doch auch das Telefonieren erwies sich als schwierig: Ich brauchte insgesamt vier Werktage bis jemand an den Apparat ging. Das Glück war dann doch auf meiner Seite, die Koryphäe selbst war am Hörer. Die Stimme der endlich erreichten Allergiebekämpferin war eher sachlich – fast unfreundlich – und wirkte desinteressiert an meinen Fragen und Beschwerden.
Sie machte mir den Anschein, als wäre ich an diesem Tag bereits die 71-e Anruferin mit dem ähnlichen Anliegen. Es war fast wie ein amtliches Gespräch, als hätte ich am Finanzamt angerufen und mich nach einem Steuersatz erkundigt. Nach dem ich erfahren habe, dass die Untersuchung etwa eine Stunde dauert, ich mich nicht irgendwie darauf vorbereiten muss nannte sie mir fast nebenbei, dass ich 400.- Euro in bar mitzunehmen habe. Das sei ihr Honorar für die Untersuchung. In einem schockähnlichen Zustand sagte ich ja und vereinbarte einen Termin für die Woche danach.
WORAN ERKENNT MAN EXPERTISE? AM PREIS?
Nachdem das Gespräch beendet war, stieg die Vernunft – in Form von sauerstoffreichem Blut wieder in meinen Kopf – und ich fing an die 400 Euro zu besinnen. Mein erster Gedanke war, dass dies wohl der teuerste Stundensatz sei, mit dem ich je konfrontiert wurde.
Kein Rechtsanwalt, kein Unternehmensberater, kein Primar oder nicht einmal ein Kfz-Mechaniker hat mir jemals so einen hohen Stundensatz berechnen wollen.
UND WORAUF HIN EIGENTLICH?
Ich kenne diese Expertin nicht. Sie wurde mir einfach empfohlen. Wirklich überzeugend und sympathisch war sie mir auch nicht.
Reicht heutzutage eine Empfehlung bzw. Mundpropaganda aus, um einen neuen Kunden bzw. Patienten zu gewinnen und so einen Preis zu verlangen? Wo sind denn die Referenzen der Expertin? Wo liegen Ihre Kernkompetenzen? Welche Ausbildung hat sie absolviert? Wo ist ein nettes Bild von Ihr, dass meine akustische empfangene Antipathie eventuell in eine visuelle Sympathie umwandelt?
Nein, bei 400 Euro Stundensatz ist mir eine Empfehlung und eine Festnetznummer als Referenz zu wenig. Eine Website ist heutzutage ein must! Eine eigene Online-Präsenz ist keine nette Zusatzinformationen mehr, sondern die Basis einer potentiellen, neuen Geschäftsbeziehung.
Eine notwendige Basis, um sich selbst von seiner besten Seite zu präsentieren, seine Expertise und Referenzen zu vermarkten und durch einen seriösen Auftritt den ersten Schritt in Richtung Vertrauen zu schaffen.
Für mich als Digitalista ist ein Experte erst ein Experte, wenn es Schwarz auf Weiss in Google & Co steht.
Fazit: Den Termin habe ich abgesagt. Ob die Expertin wirklich eine Koryphäe in der Allergiebehandlung ist, werde ich nicht rausfinden.